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02.07.12 –
Nur eine kleine Schar Grüner Mitglieder hatte es sich trotz EM-Halbfinale nicht nehmen lassen, zur Mitgliederversammlung des Wiesbadener Kreisverbandes am 28.6.2012 zu kommen. Auf der Tagesordnung standen die Nachwahlen zum Vorstand, der Bericht aus der Fraktion über den Haushalt Wiesbadens sowie Änderungen der Satzung.
Nach dem Rücktritt von Astrid Espenschied als Sprecherin vor wenigen Wochen stellte sich Konstanze (Konny) Küpper der Wahl. Als künftige Schwerpunkte ihrer Arbeit für die Grünen in Wiesbaden nannte Konny mit Blick auf das Wahljahr 2013 mit OB-, Landtags- und Bundestagswahl die bessere Einbindung der Mitglieder an der Basis in die Aktivitäten, die Unterstützung der Fraktion bei der Durchsetzung Grüner Ziele und die Erarbeitung eines Grünen Leitbildes für Wiesbaden. „Jede und jeder bei den Grünen ist wichtig und wertvoll. Wir können bei den Herausforderungen der nächsten Zeit auf keinen verzichten.“, so ihr abschließendes Statement. Ohne Gegenkandidatin wurde Konny einstimmig gewählt – ein bei den Grünen sehr seltenes Ergebnis.
Ein ebenfalls einstimmiges Ergebnis erzielte Christina Köhn, die als Beisitzerin in den Vorstand nachrückt. Christina ist bei einem Service-Unternehmen beschäftigt und engagierte sich zuletzt sehr für den Erhalt der HSK als kommunales Krankenhaus. Als Mitglied im AK Integration liegen ihr die Themen Chancengleichheit und politische Partizipation von Migranten sehr am Herzen.
Christiane Hinninger berichtete der MV über die frustrierenden Beratungen der letzten 6 Monate zum Haushalt Wiesbadens für das Jahr 2012 und 2013. Der Haushalt seit zwar jetzt mit den Stimmen der großen Koalition im Stadtparlament verabschiedet, doch blieben mehr Fragen offen und drängende Probleme ungelöst. Der Haushalt hat bei einem Umfang von 1 Mrd. Euro ein Defizit von rund 60 Millionen in diesem und in etwa gleicher Höhe im nächsten Jahr. Da das deshalb notwendige Haushaltssicherungskonzept noch nicht vorliege, werde der Haushalt wohl erst Ende 2012 endgültig verabschiedet. Derzeit gelte in Wiesbaden das Haushaltsnotrecht, das nur die unbedingt notwendigen Ausgaben zulässt.
Angesichts der Mehrheitssituation war nicht zu erwarten gewesen, dass die Grünen sich mit ihren Haushaltsvorschlägen, die sich auf die drei Ziele Nachhaltigkeit, soziale Ausgewogenheit und zukunftsorientierte Innovation konzentriert hatten, durchsetzen würden. Aber es sei schon bezeichnend für die große Koalition von CDU und SPD, dass von den 102 Grünen Anträgen tatsächlich nur drei berücksichtigt wurden. Dies betrafen die Anschaffung von Sonnensegeln in den Schwimmbädern, die Einrichtung eines Klimaschutzpreises sowie die Überprüfung der Sportplätze auf gesundheitsschädliches Kieselrot.
Christiane nannte einige Beispiele, wie konzept- und mutlos sich die Koalition den Haushalt gestrickt habe und wie wenig er nun den Versprechungen des Koalitionsvertrages entspräche:
Schulen: Nachdem es drei Jahre gedauert hatte, bis endlich die von den Grünen geforderte Prioritätenliste für die Schulsanierung vorgelegt worden war, stehen im Haushalt für die 26 dringlichsten Maßnahmen mit einem Umfang von 80 Millionen nur 10 Millionen Euro zur Verfügung. Notwendig wäre es aber, nicht nur diese dringenden Sanierungs- und Renovoerungsmaßnahmen ausreichend zu finanzieren, sondern ein vollständiges Investitionsprogramm aufzulegen. In einem Statement bezifferte Dorothèe Andes-Müller den Sanierungsstau in Wiesbadens Schule auf insgesamt 120 Millionen Euro, wobei Neubauten und Modernisierung noch gar nicht eingerechnet seien. Schlimm sei es auch, dass der Stellenplan für Hausmeister und MitarbeiterInnen in den Schulen weiter zusammengestrichen worden sei. Für den Neubau der Carl-v.-Ossietzky-Schule habe die Koalition erst gar keine Haushaltsmittel eingestellt.
Kinder: Ähnlich sieht der Haushalt auch im Bereich Kinderbetreuung aus: Es seien zwar Kinder-Eltern-Zentren politisch gewollt, erforderliche Haushaltsmittel werden dafür aber nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Auch die vorgesehenen Mittel zum Ausbau der Kinderbetreuung werden nicht ausreichen, um den gesetzlichen Garantieanspruch 2013 zu realisieren, abgesehen davon, dass die Qualität der Betreuung überhaupt nicht berücksichtigt wurde.
Energiewende: Im Gegensatz zu Darmstadt, die die Herausforderungen der Energiewende offensiv mit einem 15 Millionen Euro-Programm angeht, findet in Wiesbaden die Energiewende im Haushalt erst gar nicht statt. Die jetzt in der Presse angekündigten Gespräche zwischen Wiesbaden und Taunusstein über die Standortfrage von Windrädern werde auch keine raschen Fortschritte bringen, wenn das Geld dafür fehle.
Stadtbahn: Auch beim Thema Stadtbahn offenbart sich die Konzeptlosigkeit der Koalition. So habe die eigene Dezernentin eine positive Nutzenerwartung gutachterlich feststellen lassen, es seien aber weder für 2012 noch 2013 Planungsmittel in den Haushalt eingestellt worden. Dabei sei der Zeitdruck hoch: Nur wenn jetzt rasch die Fördermittel beantragt werden, sei die Bahn zwischen Kohlheck/Klarenthal bis zur Hasengartenstraße noch zu realisieren. Der Antrag der Grünen, doch wenigstens 100.000 Euro für Planung und Kommunikation der Stadtbahn bereitzustellen, wurde abgelehnt.
Nahverkehr: Keine Hoffnung gibt es aus Sicht des Haushalts auch auf eine Verbesserung des ÖPNV. So wurden die Pläne der Dezernentin von der eigenen Koalition abgelehnt. Skepsis ist auch angebracht bei den vollmundigen Ankündigungen zum Ausbau der Radwege: Eine schon in der Presse angekündigte 6stellige Summe sei im Haushalt nicht erkennbar.
Wohnungsbau: Von den 10.000 Sozialwohnungen in Wiesbaden sind allein im Jahr 2010 323 Wohnungen aus der Sozialbindung herausgefallen, und das angesichts der großen Not an bezahlbarem Wohnraum im Ballungsgebiet Rhein-Main gerade für sozial Schwache. Die nun im Haushalt veranschlagten 8 Millionen Euro für zwei Jahre reichten nach den Worten Christianes gerade einmal für 250 Wohnungen.
Insgesamt seit der Haushalt nicht nur an vielen Stellen mangelhaft, sondern auch in sich zum Teil völlig intransparent. Mehrere Entwürfe seien vorgelegt worden, Veränderung konnten kaum nachvollzogen werden. Selbst die eigenen Dezernenten hatten Schwierigkeiten beim Lesen, oft musste die Verwaltung selbst die einzelnen Punkte erkläre. Die Grünen haben daher eine Arbeitsgruppe zur Verbesserung der Lesbarkeit des Haushalts beantragt und es wird mit Blick auf den nächsten Haushalt 2014/2015 am 28.11.2013 eine Sondersitzung des Stadtparlaments geben, so dass auch der Öffentlichkeit ausreichende Gelegenheit gegeben wird, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Nach diesem ausführlichen Bericht, zu dem es aus dem Plenum noch einige Nachfragen gab, wurde der noch ausstehende Tagesordnungspunkt zur Satzung auf Antrag auf die nächste Sitzung vertagt.